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Prypiat, Ukraine
Riesenrad in Prypiat, Bild: Dennis Diatel / shutterstock

Lost Place nach Reaktorunfall: Tschernobyl

Am 26. April 1986 erschütterte die Nuklearkatastrophe im Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine die Welt. Durch den Gau wurde eine Sperrzone mit einem Radius von 30 Kilometern rund um das Kernkraftwerk Tschernobyl eingerichtet. In dieser Sperrzone befinden sich heute viele unterschiedliche, verlassene Orte. Auch die Geisterstadt Prypjat ist ein Teil der eher postapokalyptisch anmutenden Kulisse, die heutzutage von Touristen wiederentdeckt wird indem Sie eine Tschernobyl Reise buchen.

Der Reaktorunfall

Um 01:23 Uhr wurde im Reaktor-Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl ein vollständiger Stromausfall simuliert. Bei dem Test sollte überprüft werden, ob der Reaktor über ausreichend Energie verfügt, um die benötigten Kühlsysteme bis zum Anlaufen der Dieselgeneratoren versorgen zu können. Dabei kam es zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg im Kernreaktor. Infolgedessen überhitzte der Reaktor-Block und explodierte. Durch die Kernschmelze wurden große Mengen des radioaktiven Materials freigesetzt.

Die Region um das Kernkraftwerk selbst wurde in den ersten zehn Tagen nach dem Gau am stärksten mit radioaktiver Strahlung verseucht. Auch weite Teile Europas sowie die gesamte Nordhalbkugel war von der Strahlung betroffen. Der radioaktive Fallout erreichte neben Skandinavien, Polen, Tschechien, Österreich, Süddeutschland und Norditalien auch den Balkan, Griechenland und die Türkei. Noch heute sind einige Gebiete außerhalb der Ukraine durch die Nuklearkatastrophe kontaminiert.

Der Reaktor wurde nach dem Unglück in einen Sarkophag aus Stahl und Beton eingeschlossen. So soll das weitere Austreten von Strahlung reduziert werden. Auch die Sperrzone wurde bestmöglich »gereinigt«.

Tagestouren in das Gebiet der Nuklearkatastrophe

Besonders für Geschichtsinteressierte, Fotografen oder Abenteurer ist die Gegend um das Kernkraftwerk Tschernobyl interessant. Unzählige Lost Places wurden von der Natur zurückerobert und ergeben so eine faszinierende und grauenerregende Kulisse. Verrostete Betten in Krankenhäusern, umgefallen Stühle in Kindergärten sowie Schulen und ein Riesenrad, dessen Metallstreben im Wind knarren – ein Ort, der mehr an eine Dystopie erinnert, als an ein Urlaubsziel.

Heute ist eine Reise in die Sperrzone weiterhin verboten, wenn kein speziell ausgebildeter Guide eine offizielle Besichtigung ermöglicht. Seit 2011 hat die Regierung erlaubt, dass diese Guides Touren anbieten und somit die geschichtsträchtige Gegend wieder zugänglich wird.

Eine Tour führt zumeist durch Prypjat und in die Nähe des Sarkophags. Viele Guides bieten Treffen mit Zeitzeugen an, die einen exklusiven und individuellen Einblick in die vergangenen Geschehnisse bieten. Es sind sogar mehrtägige Touren möglich.

Für einen derartigen Ausflug sollten eigene Getränke und Snacks mitgebracht werden, da es im Sperrgebiet keine Geschäfte oder Cafés gibt. Das Wasser und Pflanzen sind weiterhin kontaminiert und damit gesundheitsschädlich. Auch ein eigener Geiger-Zähler kann nützlich sein. Viele Guides bieten an, derartige Geräte auszuleihen.

Ist eine Reise in die Sperrzone sicher?

Tschernobyl
Reaktor-Block 4, Tschernobyl, Bild: Olga Vladimirova / shutterstock

Das Sperrgebiet rund um den Reaktor ist weiterhin radioaktiv verseucht. Deshalb sind die Guides verpflichtet, ständig das Strahlungslevel mit einem Geiger-Müller-Zähler zu messen. Zudem gibt es weitere Sicherheitschecks beim Ein- und Ausfahren aus dem Gebiet.

Bei einer Tagesreise in die Sperrzone liegt die aufgenommene Strahlendosis bei ungefähr 0,97 Mikrosievert pro Stunde. Die natürliche Strahlendosis in Deutschland beträgt dagegen circa 0,23 Mikrosievert pro Stunde. In der direkten Nähe zum Reaktor ist die Strahlung höher. Bei einem Langstreckenflug oder beim Röntgen soll die Strahlenbelastung sogar stärker sein als bei einer Tagestour nach Prypjat. Deshalb ist es mittlerweile erlaubt, mithilfe der geführten Touren die Sperrzone zu erkunden.

Schutzkleidung wird keine benötigt, aber zur eigenen Sicherheit, sollten weder Pflanzen, Tiere noch Gegenstände angefasst werden. Es ist sogar strengstens verboten, Beeren und Pilze zu sammeln. Auch die Wände der Gebäude dürfen nicht berührt werden, da hier die Gefahr einer Verstrahlung droht.

Aus diesem Grund sind derartige Touren für Schwangere nicht empfehlenswert. Auch Kinder beziehungsweise Jugendliche unter 18 Jahren dürfen das Sperrgebiet nicht betreten.

Können die Gebäude und der Reaktor besichtigt werden?

Zum Teil ist eine Besichtigung der Gebäude möglich. Allerdings gilt dies nur für ausgewählte Orte, die die Guides kennen. Seit 2012 dürfen in Prypjat selbst die meisten Häuser nicht mehr betreten werden, da sie einsturzgefährdet sind.

Der Reaktor selbst kann nur aus der Ferne besichtigt werden. Das Gebiet um das Kernkraftwerk ist weiterhin am stärksten radioaktiv verseucht, weshalb ein Sicherheitsabstand von 200 bis 300 Metern nötig bleibt. In dieser Entfernung wurde ein Mahnmal aufgestellt, das zudem als Abgrenzung dient. Näher herangehen ist verboten und sollte in Hinsicht auf die eigene Gesundheit unterlassen werden.

Wie sieht das Leben heute in der Sperrzone aus?
Trotz entsprechender Warnungen leben heutzutage rund 700 Menschen in der Region rund um das Kernkraftwerk Tschernobyl. Ursprünglich lebten in der Gegend etwa 14.000 Personen, die in den Tagen nach dem Gau evakuiert wurden.

Die Strahlung ist nicht nur für Menschen schädlich. Auch Tiere, Pflanzen und Pilze mussten sich an die veränderten Umgebungsbedingungen anpassen. Erstaunlicherweise ist den meisten Arten die Gewöhnung an die Radioaktivität recht gut gelungen. Seit vielen Jahren erforschen deshalb Wissenschaftler die Entwicklung der Flora und Fauna rund um Tschernobyl.

Wie sich die Region weiterentwickelt, bleibt abzuwarten.

Lohnt sich ein Besuch?
Eine typische Urlaubsreise ist eine Tour nach Tschernobyl nicht. Auch wird es kein entspannter Urlaub mit Cocktail am Pool. Dafür ist ein derartiger Ausflug nicht nur außergewöhnlich, sondern beeindruckend. Viele Orte erinnern an einen Horrorfilm und mahnen, welche Folgen derartige Unfälle für Menschen und Natur haben können. Gleichzeitig sind Pflanzen und Tiere, die sich die Region zurückerobert haben, ein Hoffnungsbild, dass die Natur kreative Wege findet, zu überleben.