Ein Stück altes Amerika in der Neuen Welt: In Neuengland wird die historische Verwandtschaft zu Europa sichtbar.
von Susanne Reuter
Bis heute zeigen sich deutliche Spuren der englischen Siedler in der Architektur, in der Sprache der Bewohner und im gesamten Lebensstil der Region. Der Name New England leitet sich von der Beschreibung des Abenteurers John Smith ab, der diese Gegend bereits ab 1614 bereiste und daraufhin das Buch „A Description of New England“ veröffentlichte. Es folgten die Pilgerväter, die mit ihrem Schiff „Mayflower“ aus dem englischen Mutterland auswanderten und die erste Kolonie auf nordamerikanischem Boden gründeten. Die eigentliche Massenauswanderung aus England begann ab 1629, zehntausende Puritaner wurden wegen ihres strengen Glaubens verfolgt und verließen Britannien in Richtung der Neuen Welt.
Heute setzt sich Neuengland, oder New England, aus insgesamt sechs US-Staaten zusammen: Connecticut, New Hampshire, Maine, Massachusetts, Rhode Island und Vermont. Deren einzigartige Natur, ihre historisch und aktuell bedeutsamen Städte sowie renommierten Universitäten wie Harvard, MIT und Yale, die malerischen Küsten mit ihren hübschen Leuchttürmen, pittoresken Orten mit Kopfsteinpflasterstraßen, Fischmärkten, Hafenkomplexen mit Restaurants und Cafes, Museen sowie die entspannte Atmosphäre ziehen Besucher aus aller Welt an. In einen wahrlichen Traum verwandelt sich die Region im Herbst während des Indian Summer. Die Farben leuchten spektakulär, wenn sich die Blätter aufgrund des sinkenden Chlorophyll-Gehalts rot, orange und gelb färben. Wer diese Farbenpracht im Altweibersommer einmal in Neuengland erlebt hat, der wird sie nicht mehr vergessen.
Inspiriert durch die Historie reise ich ebenfalls per Schiff, natürlich heutzutage sehr modern auf der MSC Meraviglia und mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet. Für mich vereint die Kreuzfahrt viele Pluspunkte: Lange Autofahrten, aufwändige Recherchen nach Übernachtungen und Restaurants entfallen, top Destinationen erreiche ich wahrhaftig über Nacht. Die MSC Meraviglia der Schweizer Reederei hat seit April 2023 seinen neuen Heimathafen in New York und zeigt damit ganzjährig Präsenz im nordamerikanischen Gebiet. Wir verlassen New York und nehmen Kurs auf Newport.
Wo die New Yorker High Society den Sommer verbrachte
Ankunft in Rhode Island, Newport, Hafen. Sogleich spüre ich den Stolz der Segelhauptstadt der Welt, bis 1983 Austragungsort des legendären America Cups. Überhaupt, hier schnuppert der Besucher sogleich Anmut und Charme des traditionsreichen Resorts. Hübsch anzusehen fällt die weiße Kirche, die Trinity Church, mit ihrem schmalen Glockenturm auf, die mit ihren drei Ebenen einer Hochzeitstorte gleicht. Und im Innenraum ein Highlight: Ca. 1,5 x 1,5 große Holzboxen mit Kirchenbänken. Die Holzeinfassungen hielten im Winter die Zugluft ab und bewahrten die Wärme der heißen Kohlen, die in Behältern von den Gemeindemitgliedern mitgebracht wurden.
Die Bänke wurden nach Wunsch der Eigentümer geschmückt. Der Kauf einer Kirchenbank war Bedingung für die Mitgliedschaft in der Kirchengemeinde und brachten ihr Einnahmen in einer Zeit, wo es noch keine Spenden gab. Für den Eigentümer bedeutete die private Kirchenbank ein permanent reservierter Sitzplatz, der sogar vererbt werden konnte. Aufgrund seines gemäßigten Klimas und der malerischen Lage avancierte Newport vor vielen Jahrzehnten zum Sommerresort vieler reicher New Yorker Familien, die der stickigen Stadtluft entflohen. The Breakers ist das imposanteste Sommerhaus und gleichzeitig Symbol für die soziale und finanzielle Macht der Familie Vanderbilt um die Jahrhundertwende, die ihr Vermögen durch Dampfschiffe und Eisenbahnen schuf. Der Palast im Renaissance-Stil mit seinen über 70 Zimmern (Audioführung) kann besucht werden. Wer Zeit hat und gut zu Fuß ist, kann den spektakulären Cliff Walk Trail nehmen und gelangt zu dem eleganten Herrenhaus. Mit der felsigen Küste Neuenglands und der tosenden Brandung auf der einen Seite und Newports extravagantesten Villen auf der anderen Seite ist der Cliff Walk ein atemberaubend schöner Rundgang.
Der Pfad der amerikanischen Freiheit
Ankunft in Boston. Ein wenig NY-Skyline, eben im Kleinformat. Wo die Wiege der Freiheit steht, folge ich dem Freedom Trail und unternehme einen Streifzug durch die Stadt. Er zieht sich wie ein Faden durch die Stadt, beginnt am Boston Common und endet 4 Kilometer weiter am Bunker Hill Monument und präsentiert alle historischen Stätten, die mit dem Unabhängigkeitskampf der Kolonien in Verbindung stehen, insgesamt 16 Sehenswürdigkeiten. Dazu zählt mit dem ‚Paul Revere’s House‘ von 1680 das älteste Privatgebäude der Innenstadt ebenso wie das Old State House, das im Jahre 1713 gebaut wurde. Dort ist einst der Funke der Revolution gegen die Kolonialmacht England entsprungen. Für etwas Natur sorgt zwischendurch der ‚Rose Kennedy Greenway‘, eine zauberhafte Parklandschaft.
Kursänderung bei Sturm
Frei nach Dichter Matthias Claudius ‚Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen‘, erreicht mich – wieder an Bord- die Nachricht, dass der Kurs wegen bevorstehendem Sturm geändert wird. Safety first. Ein Seetag steht bevor. Die Zeit nutze ich, entspanne im SPA und kann diverse Sportangebote nutzen, ein echter Pluspunkt auf einer Kreuzfahrt. Nate (55) aus Idaho erzählt mir ganz begeistert von seinen Kreuzfahrterlebnissen. Er ist mit seiner Frau an Bord, früher waren auch die Kinder dabei. Er hat hier alles, was er benötigt. „Nicht jeder Landausflug muss organisiert sein, wir gehen öfter mal auf eigene Faust durch die Stadt“, führt er aus. Bei MSC ist er das erste Mal an Bord. Die MSC Meraviglia ist mit innovativen Technologien ausgestattet, die ihren ökologischen Fußabdruck minimieren. Dazu gehören ein Abgasreinigungssystem für saubere Emissionen, eine fortschrittliche Abwasseraufbereitungsanlage, intelligente Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungssysteme mit Wärmerückgewinnung aus den Maschinenräumen sowie LED-Beleuchtung und intelligente Systeme zur deutlichen Energieeinsparung. Durch den Anschluss an die Landstromversorgung können die Motoren runterfahren und die Schiffe an das örtliche Stromnetz anschließen, um die Systeme an Bord zu betreiben. Da der Strom über einen speziell konstruierten Transformator am Dock zum Schiff geleitet wird, vermeidet dieser Prozess die von Dieselgeneratoren verursachten Emissionen, verbessert die lokale Luftqualität und verringert den Lärm- und Vibrationspegel. Die gesamte MSC-Kreuzfahrtflotte hat die ISO 21070:2017-Zertifizierung für den maritimen Umweltschutz erhalten, was bedeutet, dass Abfälle auf nachhaltige und umweltbewusste Weise entsorgt werden.
48° 56′ 56.389″ N 57° 57′ 0.983″ W
Unverhofft lande ich also in Neufundland. Seit mehr als 100 Jahren ist Corner Brooks kleiner eisfreier Hafen ein Anlaufpunkt für Fracht- und Containerschiffe. Zunehmend teilen sich auch Kreuzfahrtschiffe die Kaianlage. Im Jahr 2014 waren neun Passagierschiffe gemeldet, im Jahr 2024 werden es über 20 sein. Ich bin ganz angetan, einmal Gelegenheit zu haben, echtes kanadisches Landleben spüren zu können. Aus Schloten steigt der Rauch der in den 1920er Jahren gegründete Papierfabrik aus. Ein riesiger Truck maximal beladen mit Holz rollt vom Transcanada Highway hinunter. Seit 1984 produziert die Corner Brook Pulp and Paper Zeitungspapier aus thermomechanischem Zellstoff. Sie dürfte eine entscheidende Rolle in der lokalen Wirtschaft spielen. Im nahegelegenen Glynmil Park leuchten erste Bäume in prachtvollen Farben, der Indian Summer zeigt sich.
Gartenprovinz mit ländlichem Charme: Prinz Edward Island oder kurz PEI
Über den Golf von St. Lawrence geht es direkt zu Prince Edward Island. Hier wurde der Grundstein für die Kanadische Konföderation gelegt, ein historischer Prozess, bei dem die verschiedenen britischen Kolonien in Nordamerika zu einer föderalen Einheit zusammengeführt wurden. Er führte zur Gründung des modernen Kanadas, ein wichtiger Meilenstein in der kanadischen Geschichte. Eine paradiesische Kulisse zeigt sich im Norden: Sandstrände, rostroten Klippen und hohen Dünen sowie Salzmarschen. Auffällig: die rötliche Färbung des stark eisenhaltigen Bodens. Er ist äußerst fruchtbar und üppig, so dass neben dem Fischfang die Landwirtschaft die Ökonomie dominiert. Ich erreiche das historische Bauernhaus Green Gables, das von Lucy Maud Montgomerys Großeltern bewohnt und Inspiration für das Haus der Cuthberts im Literaturklassiker ‚Anne auf Green Gables‘ war. Im Südwesten verbindet die Confederation Brigde die Insel mit dem kanadischen Festland. Mit 12,9 Kilometer ist sie eine der weltweit längsten Brücken über Eiswasser und überwindet die Northumberland Strait, die Meerstraße, die zum Golf von St. Lawrence gehört.
Einmal ganz tief schottische Kultur einatmen
Die schottische Kultur spielt eine wichtige Rolle in Nova Scotia: Die schottisch-gälische Sprache, übrigens die heute am meisten gesprochene Keltische Sprache, hat ihren Ursprung im Mittelalter in Schottland und wurde im 19. Jahrhundert von den Einwanderern nach Kanada gebracht. Das kanadische Gälisch wurde fast 200 Jahre lang auf der Cape-Breton-Insel gesprochen. Im 19. Jahrhundert war Gälisch die zweithäufigste Sprache in Kanada. Heutzutage wird sie nach den letzten Schätzungen nur noch von ca. 500 bis 1.000 in Kanada von hauptsächlich älteren Menschen gesprochen, wird jedoch in einer Grundschule neuerdings wieder kultiviert. Cape Breton Island ist besonders stolz auf seine gälischen Traditionen, deshalb lohnt ein Ausflug zum Nova Scotia Highland Village, der 180 Jahre lokale schottische Geschichte durch kostümierte Schauspieler und eine lebensgroße Replik eines schottischen Blackhouse – das einzige in Nordamerika – hautnah erlebbar macht.
Portland – Kunstgalerien, Theater, Musikveranstaltungen und kulinarische Angebote
Nur ein paar Schritte vom Pier entfernt und ich bin mittendrin. Viktorianische Backstein- und Hafenatmosphäre, Kopfsteinpflaster und ganz viel Szene im Hafenviertel Old Port Exchange. Museen, historische Gebäude, jede Menge Shops – es lässt sich gut durch die Stadt schlendern. Am Cape Elizabeth, ca. 16 km südlich von Portland steht in wildromantischer Kulisse einer der eindrucksvollsten Leuchttürme Maines, der Portland Head Light von 1790.
Routen der MSC Meraviglia ab New York: Bahamas und Florida, Bermuda, Kanada und Neuengland. Mehr Informationen unter msccruises.de