Wie kann man eine fremde Stadt besser kennen lernen als mit einem ortskundigen Reiseführer? Und woran denkt man zuerst wenn man an Kuba denkt? Richtig: Karibik, Zigarren und natürlich: Oldtimer.
Ein kubanisches Tourismusprojekt bietet genau diese wunderbare Kombination: Individuelle Städtetouren durch Havanna in einem frei wählbaren Oldtimer. Den deutschsprachigen Tour Guide kann man direkt mit hinzubuchen. Und das alles zu einem für deutsche Verhältnisse sehr günstigen Preis.
Nun wurde das Projekt OldCarsHavana.com mit dem „International Travel Award“ ausgezeichnet. Eine Auszeichnung die auch in Deutschland große Freude auslöste. Zwar läuft die komplette Organisation der Touren über das Netzwerk vor Ort. Aus Deutschland kommt jedoch der Internetauftritt und das dazugehörige übersichtliche Buchungssystem.
Wir haben mit Oliver Döhring, Verantwortlicher für die ehrenamtliche Projekthilfe auf deutscher Seite gesprochen. Oliver Döhring ist seit über 30 Jahren Journalist in Print, TV und Radio. Einige werden ihn von der Radio Comedy „Der kleine Nils“ her kennen. Er bereist Kuba seit 16 Jahren und kennt die Situation vor Ort sehr gut.
Ihr Projekt „Old Cars Havana“ hat gerade den International Travel Award gewonnen. Erzählen Sie uns doch bitte ein wenig mehr über Ihr Projekt.
Das Thema Kuba hat für mich mit einem Urlaub im Jahr 2004 angefangen. Ich war ganz normaler Urlauber, typisches Touristenhotel und schon am zweiten Tag war „nur am Pool rumliegen“ einfach zu langweilig. Also mieteten meine Reisebegleiter und ich ein Auto und wir fuhren nach Havanna. In der historischen Altstadt wurden wir von Alejandro, einem kubanischen Reiseführer, angesprochen „ob er uns die Stadt zeigen soll“. Wir dachten „Ok, ein Ortskundiger ist sicher hilfreich“, sagten Alejandro aber, dass uns die typische Touristen Bespaßung eher nicht interessiert. Wir wollten „Land und Leute“ und das echte, das reale Kuba, mit allen möglichen Konsequenzen auch unschöne Dinge zu sehen.
Wir hatten von der ersten Sekunde an eine sehr lockere, ehrliche, sogar alberne Atmosphäre. In Deutschland mache ich Radiocomedy, schätze das lässt sich auch im Urlaub nicht abschalten. Kurz gesagt, neben allem Sehenswerten wurde auch viel gelacht. Alejandro blieb von diesem Moment an täglich an unserer Seite und wir haben allein in Havanna so viel mehr gesehen als ein normaler Tourist. Das ging so weit, dass er uns zu seiner fast 80-jährigen Oma eingeladen hat, die darauf bestand mit mir einen Rum zu trinken. Laut Alejandro hatte sie das schon Jahre nicht mehr gemacht „Aber wenn so ein junger, gutaussehender Mann bei ihr zu Gast ist, kann man schon mal eine Ausnahme machen!“. Nach dem Gläschen war sie übrigens gut beschwipst, erzählte uns aber ihr halbes (by the way) sehr spannendes Leben.
Kurzum, mit Alejandro blieb ich auch nach dem Urlaub in Kontakt und schon 6 Monate später kam ich zurück und es ging mit dem Mietwagen über die gesamte Insel. Wir waren gut 2 Wochen unterwegs, jeden Abend woanders, immer in kleinen privaten Casa’s, bekocht von den einheimischen Familien. Ich muss dazu sagen, damals war ich beruflich gestresst. Die Tatsache, dass man damals in Kuba kaum Handyempfang hatte, ich also nicht ständig und für jeden erreichbar war, sorge für eine echte Auszeit. Ich war sprichwörtlich in einer anderen Welt.
Seitdem fahre ich im Urlaub ausschließlich nach Kuba. Schätze ich habe mich in das Land verliebt. Für mich persönlich gibt es keinen schöneren Ort.
Im November 2015 bahnten sich dann neue Möglichkeiten für die Kubaner an: Die kommunistische Regierung entschied, dass sich Kubaner fortan Selbstständig machen dürfen. Alejandro hatte damals die Idee eine „Classic Car Agentur“ zu gründen und fragte ob ich ihm helfen könnte. So fing alles an.
Im darauffolgenden Jahr schossen die Oldtimer Agenturen förmlich aus dem Boden. Zwischenzeitlich waren es über 70 Mitbewerber! Also stand für uns zunächst mal eine Marktanalyse an: Was machen die anderen genau, welche Autos haben sie, welche Touren, was machen die anderen gut und was können wir anders und besser machen? Ohne zu tief ins Detail zu gehen: Uns war sofort klar, dass wir uns nur etablieren können, wenn wir eine Top Qualität, ein Top Angebot und Top Service vereinen. Ein weiterer Vorteil war, dass ich weiß, wie ein Urlauber denkt und Alejandro weiß was vor Ort möglich ist.
Alejandro suchte die besten Oldtimer Havannas und ich kümmerte mich um alles was mit Internet und Vermarktung zu tun hat. Im Juli 2017 startete unser Portal. Wesentliche Besonderheit, auf Europäischer Seite arbeiten wir komplett Ehrenamtlich. Über die Jahre kamen viele Freunde zu diesem Projekt hinzu, u.a. aus den USA. Sie haben geholfen unsere Seiten in verschiedene Sprachen zu übersetzen und über den Business Club Stuttgart kommt sehr viel Support, wenn es um die Umsetzung von Ideen und Vermarktung geht.
Was macht die Touren so besonders?
Wir versuchen Kuba so persönlich wie möglich rüber zu bringen. Natürlich fahren wir auch alle touristischen Hotspots an, aber es macht einen Unterschied, ob man neben den geschichtlichen Daten auch viel über Land und Leute erfährt. In jedem Fall waren unsere Gäste immer begeistert auch etwas über das Leben und Denken der Kubaner zu erfahren. Wir fahren auch an Orte die von Touristen normalerweise nicht angefahren werden. Einem Hochzeitspärchen haben wir mal ein ganzes Strand Dinner in einer abgelegenen karibischen Bucht organisiert.
Viele unserer Touren sind überhaupt erst am „Kundeninteresse“ entstanden. Es gibt viele Gäste, die sich vor der Reise sehr gut informieren und sich in Foren Empfehlungen holen. Da kommen immer wieder neue Ideen auf den Tisch.
Was uns aber derzeit unschlagbar macht: Wir haben Tourguides für 9 verschiedene Sprachen, selbstverständlich ist da auch deutsch dabei. Alle unsere Guides haben die Sprachen studiert oder sind sogar ausgebildete Lehrer für die jeweilige Sprache.
Und wir haben für Old Cars Havana klare Regeln aufgestellt: Dinge wie Pünktlichkeit, saubere Fahrzeuge etc. sind bei uns selbstverständlich. Wenn eine Tour um 10 Uhr beginnt, dann ist unser Team oft schon 10 Minuten vorher da.
Gibt es eine Tour die Sie unseren Lesern besonders ans Herz legen wollen?
Das kommt sehr auf den Gast an.
Wenn ein Gast zum ersten mal in Havanna ist, dann empfehle ich z.B. eine 3h oder 6h City Tour: Der Urlauber bekommt einen Überblick über die City, die wichtigsten Orte und kann unsere Guides mit Fragen zu „Tipps und Orten“ löchern. Also, was kann man wo erleben etc.
Wenn man nur einen Tag in Havanna ist, dann definitiv die 6h City Tour.
Wer sich für Zigarren interessiert sollte eine Tagestour nach Vinales machen oder wer Action liebt, sollte in den Zapata Nationalpark (Guama/Schweinebucht).
Meine Lieblingstour war in den Zapata Nationalpark, da hatte ich viel Natur, eine Bootstour und war in der Karibik schnorcheln.
Wie schaffen es eigentlich die Besitzer trotz der Umstände (Salzwasser, keine Ersatzteile) Ihre Autos so gut instand zu halten?
Es gibt einen Witz unter den Fahrern: „Ich pflege mein Auto mehr als meine Frau!“ – wohlgemerkt es ist ein Witz!! In einem perfekten kubanischen Haushalt ist in der Regel die Frau der Boss.
Aber es ist in der Tat nicht ganz einfach. Zum einen wird repariert bis es gar nicht mehr geht. Viele Autos werden auch aufgebaut in dem sie ein baugleiches Auto ausschlachten, also aus 2 Autos mach eines das fährt. Mittlerweile erhalten wir aber auch echte Hilfe von Oldtimer Fans aus aller Welt. Kleine Bauteile kommen schon mal mit den Urlaubern ins Land.
Der Ehrlichkeit halber muss man aber auch sagen, dass einige Autos nicht mehr den Original-Motor unter der Haube haben. Wenn es ein neuerer Motor ist, dann meist ein „Japaner“, mit ein paar Stellschrauben bekommen diese Motoren den Sound der 50er Ami-Schlitten perfekt hin. Aber, die Original Restaurierungen sind (zumindest bei uns) deutlich in der Mehrheit.
Der amerikanische Tourismus in Kuba ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Nun wird er durch die Pandemie sowie die Entscheidungen der scheidenden US-Regierung ausgebremst (Info: Die US-Regierung hat von wenigen Tagen Kuba wieder auf die Liste der Terrorstaaten gesetzt). Wie ist die derzeitige Situation vor Ort?
Der amerikanische Tourismus setzte mit der Annäherungspolitik der Obama Regierung ein. US-Bürgern war es unter Auflagen möglich nach Kuba zu reisen und dadurch entstand ein echter Tourismus Boom. Das betrifft nicht nur unser Projekt: Private Restaurants eröffneten, Clubs, privat geführte Läden (vorwiegend Mode, Kosmetik, Telekommunikation). Ich kenne so viele Familien die alles was sie hatten eingesetzt haben, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Auch solchen Projekten haben wir geholfen. So hatte uns z.B. die Beautyvilla in Rostock annähernd alles geschenkt was man in einem Friseursalon so braucht.
Der erste schwere Einschnitt kam im Juni 2019 mit der Trump Entscheidung die Reisen für US-Bürger von „heute auf morgen“ wieder zu verbieten. Dann kam die Covid-Pandemie und schlussendlich die Entscheidung der Trump Regierung Kuba wieder auf die „Terrorliste“ zu setzen.
Für Covid-19 kann keiner was, aber beide Entscheidung der Trump Regierung kommen vor Ort in Kuba gar nicht gut an. Ich rede da ausdrücklich von den normalen Menschen und nicht von der Meinung der kommunistischen Regierung. Trumps Entscheidungen haben zu einem Massensterben der vielen, kleinen privaten Existenzen geführt. Die Entscheidung der Trump Regierung hat also zunächst mal Existenzen unter der ganz normalen Bevölkerung vernichtet. Das Präsident Trump mit seinen Entscheidungen „den Menschen auf Kuba zu mehr Freiheit“ verhelfen will, glaubt auf der Insel keiner. Schlimmer noch, in dieser Frage sind selbst die kritischen Stimmen unter den Kubanern wieder an der Seite ihrer Regierung.
Dabei waren die beiden Jahre vorher für mich beeindruckend: Mit den vielen US-Touristen kamen Menschen ins Land die sich als perfekte Botschafter für mehr Demokratie entpuppten. Plötzlich waren für Kubaner Gespräche und der Blick über den Tellerrand möglich, Freundschaften entstanden und in Folge äußerten auch die Kubaner immer offener ihre Meinung. Vieles erinnerte mich an die DDR in den Jahren 1988/89. All das hat die Trump Administration wieder zunichte gemacht, die vielleicht hoffnungsvollste Zeit für die Kubaner.
Die derzeitige Situation ist schwer für die Kubaner. Es gab zusätzlich eine Währungsreform die sehr viele Waren unerschwinglich gemacht haben. Die Pandemie und die Trump Entscheidungen haben natürlich massive Auswirkungen. Die Kubaner tun ihr möglichstes wenigstens genug zu essen auf den Tisch zu bekommen. Jedes Stückchen Vorgarten wird zum Gemüseanbau genutzt und sie unterstützen sich, wo es geht. Und, sie setzen – wie wir – große Hoffnung in die Biden Regierung.
Zum Abschluss noch die Frage: Was mögen Sie besonders an Kuba und gibt es andere Reiseziele welche Sie gerne bereisen?
Ich sehe Kuba heute natürlich anders als vor 16 Jahren. Vor 16 Jahren wäre es bei „Kuba ist eine sensationell schöne Insel und ihre Menschen sind gastfreundlich“ geblieben. Je häufiger man dort ist, lernt man auch wesentlich mehr zu schätzen. Natürlich gibt es auf Kuba den besten Rum der Welt, die besten Zigarren und der kubanische Lebensstil lehrt jedem Menschen den Begriff „unbeschwert“. Das bedeutet nicht, dass Kubaner keine Probleme verspüren! Es bedeutet aber, dass der Umgang mit Sorgen ein anderer ist als bei uns. Kubaner haben ihre Leichtigkeit, Fröhlichkeit und ihr Lachen nicht verloren. Oft saß ich im Flieger nach Hause und dachte „Habe ICH wirklich Probleme? Kubaner haben es soviel schwerer als ich und trotzdem lachen sie mehr!“.
Durch die vielen Kontakte weiß ich, Kubaner haben eine sehr gute Allgemeinbildung, sie sind stolz auf Ihre Geschichte und Traditionen. Gespräche sind immer von Neugier geprägt, Kubaner lernen schnell und sie haben durchaus eine Idee für das eigene Leben. Speziell die junge Generation steht in den Startlöchern dieses Potenzial auch zu nutzen. Über kurz oder lang wird es in Kuba zu Veränderungen kommen müssen.
Vor Kuba habe ich halb Europa (Südeuropa so ziemlich alles) bereist, ich war auf den Malediven oder auf Koh Samui in Thailand. Für mich persönlich wären noch die Weiten Russlands interessant, die Nordlichter würde ich gerne noch sehen oder einmal Neuseeland. Wenn es aber nur noch bei Kuba bleibt bin ich ganz sicher nicht unglücklich.
Herr Döhring, wir danken Ihnen für das Gespräch!
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Die Gasdruckfeder ist ein typisches Ersatzteil z.B. für die Heckklappe am Auto.