„In sechs Tagen schuf Gott die Erde – am siebten Tag ließ er Rio de Janeiro entstehen. Sie ist die schönste Stadt der Welt…“ An sanften Übertreibungen mangelt es den Menschen in Brasilien nicht, auch wenn dort jedermann weiß, dass kein Land auf unserem Globus für sich den Anspruch erheben kann, perfekt zu sein. Und doch: Das große Land im Süden des Subkontinents hat sich längst von seinen Klischees befreit. Es stellt die größte Volkswirtschaft Südamerikas und ist ganz sicher ein Wunder der Natur. Und deshalb ist Brasilien noch immer das Traumziel für Menschen, die mit offenen Augen die Welt erkunden. Wer das Land mit seinen mehr als 140 Millionen Menschen verstehen will, der sollte nach der Seele der lebensfrohen Brasilianer fahnden. Er wird sie auch in den paradiesischen Küstenstreifen, den Sambaschulen und in den Fußballstadien finden. Aber nicht nur dort. Brasilien ist ein Land mit Industrie und Indianern. Ein Land im Pendel zwischen Licht und Schatten.
Der Spagat zwischen Elend und Erneuerung
Ein Urlaub in Brasilien – das ist die etwas andere Reise auf unserem Planeten. Die eindrucksvolle Gestalt des „Cristo Redentor“, des Erlösers, thront auf genau 709 Metern Höhe auf dem Corcovado und blickt von dort herab auf sein Volk. Von hier aus öffnet sich eine grandiose Perspektive mit dem weltberühmten Zuckerhut und dem immergrünen Nationalpark Tijuca. Der erhabene Christus, dem seine Erbauer eine Spannweite von 28 Metern gaben, ist so etwas wie ein Sinnbild dieser Region. Mit seiner ausladenden Gestik vermittelt die Figur aus Stahlbeton auch den Enttäuschten in dieser Riesenstadt am Zuckerhut Glaube und Hoffnung. Brasilien ist ein Land, das sich zuweilen verstrickt zwischen dem Schutz seiner Reservate und dem Raubzug an seine unvergleichlichen Wälder. Ob der Spagat zwischen Elend und Erneuerung gelingt, bleibt abzuwarten. Da aber der Tourismus dabei eine wichtige Rolle spielt, darf man diesem Vielvölkerstaat mit seiner jungen Bevölkerung vor allem Glück wünschen.
Rio de Janeiro – Zeugnisse der portugiesischen Kolonialzeit
Die Mehrzahl der Rundreisen in Brasilien beginnen in Rio de Janeiro. Diese unvergleichlich schöne Stadt hat bereits vor Jahren dem allgemeinen Chaos den Kampf angesagt und sich mittlerweile von manchen Albträumen befreit. In einigen Gegenden wandelten sich die Elendsquartiere in schmucke Wohnviertel, und an der weltberühmten Praia de Copacabana überwachen mittlerweile zivile „Friedenspolizisten“, dass niemand dort nach seinem Strand-Aufenthalt eine Cola-Dose hinterlässt. Sehenswert ist aber nicht nur der kilometerlange Strand von Rio. Insider bummeln bevorzugt durch das bukolische Viertel Urca, zu Füßen des Zuckerhuts. Mit seinen pittoresken bunten Häusern und den Zeugnissen der portugiesischen Kolonialzeit nimmt die Region am Ufer der Guanabaro-Bucht eine Sonderstellung ein. In zahlreichen Bars von Urca gibt es frittierte Sardinen und ein eiskaltes Bier.
Sao Paulo – Das Experiment eines unkoordinierten Wachstums
Auch wenn Rio so etwas wie das Tor Brasiliens und zweifellos ein Highlight dieser Reise ist, so beginnen die eigentlichen Wunder des großen südamerikanischen Landes erst jenseits der Copacabana. Sao Paulo, das Finanzzentrum Brasiliens, gibt sich weltoffen und supermodern und versteht sich seit jeher als Triumph eines auswuchernden und wilden Wachstums. Hier trieb der Aufbau dieser Wüste aus Stahl und Beton bemerkenswerte Blüten. Dort, wo heute die Villen der millionenschweren Kaffeebarone stehen, verschwanden einst morsche Häuser ehemaliger Goldgräber, Indios und Sklaven. In Sao Paulo ist es eng, heiß und voller Migranten, die abseits jener Menschen leben, die von sich behaupten dürfen, wohlhabend zu sein. Den berühmten Karneval gibt es in Bahia und Rio – Sao Paulo ist vor allem das nicht unbedingt gelungene Experiment eines unkoordinierten Wachstums.
Auf den Spuren der Sklaven aus Afrika
Die Vielfalt Brasiliens zeigt sich bei einer Reise weniger im Moloch Sao Paulo. Eher an den Iguacu-Wasserfällen im Dreiländereck zu Paraguay und Argentinien. Weit mehr als 1.700 Kubikmeter Wasser stürzen pro Sekunde in einer Breite von vier Kilometern in die Tiefe. „Großes Wasser“ nannten die Indianer dieses tosende Wunder der Natur am Rio Parana. Wer es sich zutraut, sollte es nicht versäumen, über einen 1200 Meter langen Steg den Wasserfällen sehr nahe zu kommen. Der Preis ist zu ertragen: Man wird durch die Gischt ziemlich nass. Zu den aufregendsten Stationen einer Reise durch Brasilien zählt zweifellos Salvador da Bahia. Hier wandeln die Besucher auf den Spuren der Geschichte, denn diese Hafenstadt war einst Zielort der Sklaven aus Afrika. Deren Nachfahren prägen noch heute den Alltag in Bahia – mit ihren Überlieferungen, heidnischen Gottheiten und einer interessanten Kultur. In der Altstadt sollte man sich Zeit nehmen für die Visite des Konvents Sao Francisco. Dies ist ein zeitloses Beispiel der Epoche des sogenannten „Tropen-Barocks“.
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Brasilia – eine Metropole für Autofahrer
Stolz auf ihr Image als Weltkulturerbe – und mehr noch auf ihre Architektur – ist die Stadt Brasilia. Sie entstand auf dem Reißbrett, ist längst die Hauptstadt des Landes und verdankt ihre Entstehung den Ideen des Architekten Oscar Niemeyer. Der war einst Bürgermeister von Belo Horizonte und verwirklichte in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf dem Planalto, einem Hochplateau, das Wahlversprechen des brasilianischen Präsidenten Juscelino Kubitschek. Es entstand eine Stadt aus dem Nichts und wurde zur „Spielwiese“ genialer Landschaftsplaner. Wer heute aus der Luft nach Brasilia anreist, der erkennt beim Anflug die Achsen eines Kreuzes oder die Flügel eines Airliners. Hier ist keine Straße eng sondern vielspurig – ideal für einen Erkundungsausflug mit dem Taxi. Denn Brasilia wurde nicht für Fußgänger geschaffen sondern für Autofahrer. Niemeyer, dessen Vorfahren aus Hannover stammten, schuf mit der Praca dos Tres Poderes, den Türmen und Halbkugeln des Kongresses und Senats, sein Meisterstück.
Amazonien – eine Schatzkammer des Lebens
Wer sich als Urlauber in Brasilien für eine Reise in die grüne Unendlichkeit des Amazonas-Gebietes entscheidet, der begibt sich in eine Region, die den meisten Besuchern den Atem raubt. Manaus ist das Drehkreuz solcher Touren und wartet mit einem bemerkenswerten Opernhaus auf. Dort inszenierte Christoph Schlingenschlief den „Fliegenden Holländer“. Doch das Abenteuer beginnt jenseits der Stadtgrenzen. Dort, wo es keine Wege gibt und wo die Flüsse schon immer die Lebensadern Amazoniens waren. Es ist das Refugium der Indianer, die, weit abseits der Zivilisation, unter anderem im Nationalpark Jau leben. Dies ist die größte Waldwildnis der Erde, ein Laufsteg der Evolution und gleichzeitig ein bedrohtes Paradies. Das Sumpfgebiet Panatal und Amazonien sind Brasiliens Schatzkammer des Lebens.