Wenn die Sonne ihre ersten Strahlen über die Insel schickt, hängt der Dunst der frühen Stunde über den Fluten von Samos. Schon sehr bald werden im Osten die Umrisse des nahen türkischen Festlandes erkennbar, und es soll auf Samos Menschen geben, die das Krähen türkischer Hähne vernommen haben, wenn der Wind mal günstig weht. Asien liegt vor der Haustür, doch das grüne Eiland an der Peripherie Europas war seit jeher ein Teil des antiken Griechenland in der östlichen Ägäis. Homer, der früheste Dichter des Abendlandes, ist ein wichtiger Zeuge dieser These, denn er nannte Samos im 42. Vers seiner Hymne an Apollo.
Samos – Strände, Wein und blaue Buchten
Nach einer langen Periode der Abgeschiedenheit wurde Samos, so wie die meisten griechischen Inseln, im vergangenen Jahrhundert vom internationalen Tourismus wach geküsst. Mit seinen eindrucksvollen Stränden, einem erstklassigen Wein, etlichen blauen Buchten und Dörfern, von denen man meint, dort sei eines Tages der Zeiger der Zeit einfach mal stehen geblieben. Aber Samos ist mehr als nur Sonne und Sand, Wellen und Wein. Der Zauber dieses Eilands beginnt dort, wo die asphaltierten Straßen enden und wo sie übergehen in holprige Wege. Es sind die Pfade durch liebevoll gepflegte Obst- und Gemüseplantagen an den Hängen der grünen Berge.
Der berühmte Satz des Pythagoras
Im Hinterland hat Samos seine Ursprünglichkeit weitgehend bewahrt. Mit dem Flüstern der Schatten spendenden mächtigen Platanen, dem süßlichen Duft der Weinreben und dem würzigen Hauch, der von den stimmungsvollen Fichtenhainen herüberweht. „Das Schönste ist die Harmonie“, diktierte Pythagoras, der größte Sohn der Insel Samos, seinen Schülern in deren Lehrbücher. Vermutlich wurde er inspiriert durch die Lieblichkeit dieser Landschaft, die der unstete Wanderer Zeit seines Lebens als seine Heimat betrachtete. Er war Philosoph und Mathematiker und bescherte Generationen von Pennälern mit seinem berühmten „Satz“ schlaflose Nächte. Doch Pythagoras löste mit der Erkenntnis vom Quadrat der Hypotenuse ein grundsätzliches Problem der mathematischen Philosophie.
Ein Denkmal für die Ewigkeit
Die hübsche Kleinstadt Pythagorio an der Bucht von Tigani setzte mit diesem Namen dem Pythagoras ein Denkmal für die Ewigkeit. Im Jahr 1955 wurde der Ort umbenannt. Der einst beschauliche Fischerhafen hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt und zieht mit seinen Hits, die aus den Lautsprechern der Bars dröhnen, insbesondere junge Leute unter den Urlaubern an. Vom Glanz und Verfall einer antiken Metropole zeugen dort nur noch die Überreste der Stadtmauer. Archäologen rätseln in Pythagorio seit langer Zeit, wo die legendäre Akropolis ehemals stand. Sehenswert ist statt dessen die Metamorphosis-Kirche unweit des Burghügels, die vom griechischen Freiheitskämpfer Lykourgos Logothetis 1824 in Auftrag gegeben wurde.
Der geniale Tunnel des Eupalinos
Wer mit den griechischen Inseln in erster Linie sein Interesse an den Spuren einer bedeutsamen kulturhistorischen Epoche verbindet, der sollte sich auf Samos in die Tiefe begeben. Oberhalb von Pythagorio, in der Nähe der Höhlenkirche des Klosters Panagia Spiliani, befindet sich – ein wenig versteckt – der Zugang zum eindrucksvollen Eupalinos-Tunnel. Er ist eine architektonische Meisterleistung der Antike und entstammt einer Idee des Eupalinos von Megara, der in seiner Zeit als genialer Ingenieur gerühmt wurde. Er vollendete im Auftrag des Tyrannen Polykrates um 600 vor Christi Geburt diese begehbare Wasserleitung. In fünf Jahren Bauzeit wurde das doppelstöckige Werk von zwei Seiten über mehr als tausend Meter durch den Berg getrieben. Der Kanal leitete das Wasser aus der Ebene von Agiades nach Pythagorio und gab den Menschen der Stadt im Falle einer Belagerung gute Chancen zum Überleben. Der Tunnel ist ein touristisches Highlight auf Samos.
Samos – ein Eldorado für Wanderer
Im übrigen ist die 45 Kilometer lange und bis zu 20 Kilometer breite Insel an der Meerenge von Mykali ein Eldorado für Wanderer. Samos erfreut sich seit vielen Jahren bei jenen Urlaubern einer besonderen Wertschätzung, die gut zu Fuß sind und festes Schuhwerk im Reisegepäck haben. Die Erhebungen von Kerketea und Ampelos sind die grünen Lungen der Insel. Von Bränden blieben diese Regionen in der Vergangenheit allerdings nicht verschont, und so war es ein Wunder, dass im Kloster Megali Panagia die Fresken des Katholikon aus dem 16. Jahrhundert unbeschadet die Feuersbrunst überstanden und nach wie vor ein Ziel der Urlauber sind.
Das romantische „Tal der Nachtigallen“
Die schönsten Strände der Insel befinden sich an der Südwestküste, zu Füßen des 1.425 Meter hohen Kerketeus. Bei Psili Ammos und Ormos Marathokambos führen feinsandige Abschnitte in ein zumeist schwach bewegtes Meer. Leicht von den touristischen Hochburgen zu erreichen sind die steinigen Buchten zwischen der lebendigen Metropole Samos-Stadt und Avlakia. Malerisch ist insbesondere die Badebucht unterhalb von Kokkari. Der beste Wein gedeiht im milden Klima des luftigen Platanos mit seinem romantischen „Tal der Nachtigallen“.