Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss, oder ist das asiatische Gelassenheit? Seit drei Stunden gleitet das am Vortag zusammengezimmerte Bambusfloß über den Fluss Amandit. Mit an Bord des improvisierten Wassergefährts: Die aktuelle „Miss Tourismus“ der Region, Raisa Nurtanziliana, und ich. Das schmale Gefährt schaukelt über den Wellen, sanft gleiten wir Woge um Woge hinab. Raisa singt: Ein traditionelles, indonesisches Wiegenlied, mit dem sie mich mitten am Tag fast in den Schlaf bringt. Alles bewegt sich, manches dreht sich, alles ist gut.
Neben dem Fluss gondelt träge die Landschaft vorbei, Bäume, hölzerne Hütten, Menschen, die sich ihrem Tagwerk widmen. Eine beruhigende, inzwischen leider durch die Errungenschaften der Zivilisation angegriffene Welt in Grün: Bäume, Büsche, Bambus – ein erfrischender, großartiger Dreiklang, der neben dem Floß die sanften Ufer säumt. Ab und zu sticht ein größerer Stein, den unser Fährmann geschickt umkurvt, aus dem Wasser hervor. Dabei hilft dem jungen Mann ein langer Stock, den er in die Fluten stemmt. Und Raisa singt…
Hinter uns liegen zwei Nächte in einem Camp, ohne Komfort, vom blanken Bretterboden trennt die Schlafsuchenden in den kleinen, aneinandergereihten Hütten nur eine Matratze. Der Anstieg hier herauf war so steil, dass unser Bus mehrmals keine Kraft mehr hatte und kurz vor dem Erreichen der nächsten Hügelspitze einfach stehenblieb; bevor es irgendwann schließlich doch wieder weitergehen konnte: So, als müsste der Wagen erst mal Kraft sammeln, um dann von neuem gegen die Steigung anzukämpfen. Als wir dann endlich im Lager ankamen, fühlte sich unsere Gruppe schnell wie die Pfadfinder. Die Gegebenheiten im Resort Amandit scheinen liebevoll improvisiert. So fallen die oft alles überdeckenden Annehmlichkeiten der westlichen Wohlstandsländer hier weg – zumindest, was die Verpflegung betrifft. Morgens, mittags, abends, stets landet das Gleiche im Teller der Camp-Gemeinde: Kaltes Hühnchen, Reis und eine nicht näher zu identifizierende Gemüse-Beigabe. „Du musst aufessen, sonst hast du für das Rafting keine Kraft“, rät unser erfahrener Guide denen, die zögern, sich den Blechnapf ein weiteres Mal mit immer demselben füllen zu lassen. Seufzen. Also gut, „dann bitte nochmal Huhn mit Reis. Und später gerne einen Tee.“ Junge, verhüllte, muslimische Frauen erfüllen lächelnd die Bitte. Hinter einem Campingtisch greifen sie stehend zu einer riesigen Schöpfkelle, legen den ihnen unbekannten Übernachtungsgästen nach.
Alljährlich im November findet an diesem Ort in den indonesischen Bergen ein bemerkenswertes Festival statt, dessen fester Bestandteil heimische Tänze, Gesang sowie ein Kochwettbewerb sind. Dabei wird von den Frauen der Gegend aufgetischt, was in diesem Teil der Erde seit Jahrhunderten auf den Tisch kommt: Vor allem in Teile zerlegtes Hühnchen, Gewürze und Gemüse. Alles wird in hohle Bambusrohre gestopft, welche die Konkurrenten aus den verschiedenen Dörfern umgehend über schwelenden Lagerfeuern garen. Gut 30 Minuen heißt es abwarten, dann können die Anwesenden sich rungsum durch die traditionelle asiatische Küche essen. Schönheitskönigin Raisa, die ihre Schärpe mit der Aufschrift „Tochter des Tourismus“ zu diesem Anlass umgelegt hat, hilft dabei, die Gewinner zu küren: „Wir bewerten dabei nicht nur den Geschmack der Speisen, sondern vor allem auch die Präsentation und wieviel Mühe sich die Frauen bei m Anrichten gegeben haben. Für uns hat dieser Wettbewerb eine große Bedeutung.“
Das Lager ist Teil des kleinen Örtchens Loksado, welches wiederum zur Provinz Südkalimantan gehört. Seit Tagen sind wir nun schon hier, im Südosten der Insel Borneo; die Hauptstadt heißt Banjarmasin. Obst, Gemüse und andere Köstlichkeiten erwirbt man hier etwa auf dem „Lok Baintan Floating market“ von Boot zu Boot, was für Europäer und andere Weitgereiste ein ganz besonderes Erlebnis, für Einheimische jedoch Alltag ist. Die Frauen der Umgebung lachen häufig, während sie ihre Waren anpreisen und unterhalten sich mitten auf dem Barito River. Zwischendurch werden den wenigen Touristen, die es im Morgengrauen auf den Fluss getrieben hat, die eigenen Erzeugnisse angeboten. Vor allem sind das Bananen, Orangen, die exotische Soursop (Stachelannone), exotisch-süße Cherimoyas. Handeln ist Pflicht, wie uns der Guide erläutert. Zu den Obligenheiten der Dorfbewohner gehört es wiederum, die Besucher auf den Gast-Booten mit Kostproben der heimischen Gaumenfreuden, darunter auch Kaffee, zu versorgen. Und so landen in Kürze Mini-Bananen sowie eine Menge weiterer köstlicher Happen in unserem Gefährt. Die Preise sind auch ohne das obligatorische Feilschen mehr als erschwinglich, das Wetter wie immer schön warm, also greifen wir gut gelaunt zu. Aus einigen Kähnen heraus werden Souvenirs angepriesen oder indonesische Spitzhüte, Hemden und Hosen. Ein ganzes Einkaufscenter auf Booten also. Der Rückweg zum Hotel dauert wieder eine ganze Stunde, vorbei an unzähligen Hütten, welche auf Stelzen über dem Fluss thronen. Deren Besitzer waschen schon ab fünf Uhr morgens ihre Kleidung im träge dahinströmenden Barito River. Sie selbst und ihre Kleinen springen zusätzlich meist selbst hinein, sie schrubben sich gründlich ab, tauchen dabei kurz unter.
Durch die Abholzung des Regenwalds ist die Gegend leider massiv gefährdet; auch das Goldschürfen mit Hilfe des Amalgamverfahrens wird in Indonesien noch praktiziert. Dabei gelangt giftiges Quecksilber in die Böden sowie in die Luft – eine Praktik, welche die Gesundheit der sie anwendenden Arbeiter massiv bedroht. Angesichts der strotzenden Natur des weltweit viertgrößten Staats verlieren sich diese Gedanken vorerst jedoch. Es grünt, es blüht immer noch in diesem Teil Asiens. Zu verdanken ist die florale Pracht den üppigen Niederschlägen sowie dem generell feuchten Klima auf den Inseln dieses Staats.
Vor allem eine „grüne“ Bewohnerin, die Riesenblume Rafflesia, weiß diesen Umstand zu schätzen. Wer Glück hat, erlebt das Gewächs mit seinem gigantischen, bis zu einem Meter betragenden Durchmesser während dessen Blütezeit. Die beträgt zwar nur überschaubare vier bis sieben Tage, bis die bombastische Rafflesia zu zähflüssigem schwarzem Schleim zerfällt. Dank des Größenrekords findet sich die Megapflanze dennoch auf der „Bucket-List“ zahlreicher Touristen wieder. Daneben statten Amerikaner oder Europäer etwa gerne auch den Tee- und Pfefferplantagen Sumatras einen Besuch ab. Teilweise kämpfen sich die Besucher dabei durch dichten Regen, der neben seiner Nützlichkeit für die Fauna zugegeben ein paar Schattenseiten hat. So wird die indonesische Hauptstadt Jakarta immer mal wieder von Hochwasser geflutet. Dann nämlich, wenn die Regenzeit über diese vorwiegend von Muslimen bewohnte Zone hereinbricht. Unendliche Fluten scheinen dann über die Gegend hereinzubrechen.
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