In der Corona-Pandemie musste auf vieles verzichten werden. Das unbeschwerte Reisen gehörte dazu. Dabei ist das Reisen so wichtig, um den Horizont zu erweitern, auch den kulinarischen. In einem neuen Berliner Museum lässt sich jetzt beides auf wunderbare Weise verbinden.
Der schönste Ekel Berlins
Im Disgusting Food Museum Berlin reisen die Besucherinnen und Besucher in 90 Gerichten um die Welt. Anhand ausgewählter Beispiele werden sehr unterschiedliche Geschmackskulturen und Küchentraditionen präsentiert. Und wie es oft der Fall ist, schreckt man vor der Fremdheit bestimmter Nahrungsmittel zurück: Wo werden Bullenhoden oder Bullenpenis gegessen? Wo lassen sich die Menschen Hund, Schafskopf oder verfaulten Fisch schmecken? Wo erzeugt die Durian-Frucht Wohlgeschmack anstatt Würgereiz? In welchem Land wird Käse mit Milben hergestellt und verfeinert? Das Museum sorgt dafür, dass das Fremdheitsgefühl gegenüber solchen Nahrungsmitteln abgebaut wird, weil diese sehr schön, fast wie in einer Kunstausstellung, präsentiert werden.
Vorurteile im Selbstversuch
Zudem betonen die Macher*innen der Ausstellung, keinen objektiven Ekel zu zeigen, sondern Dinge, die für ekelhaft gehalten werden könnten. So werden die Besucher*innen mit ihren eigenen Vorurteilen konfrontiert, wobei sie eben diese Vorurteile an der Tasting Bar des Museums überwinden können. Im Disgusting Food Museum Berlin darf nämlich das gemacht werden, was in den anderen Museen streng verboten ist: das Anfassen und Anknabbern. Auf diese Weise werden die anfänglich mit Schrecken betrachteten Würmer zu einer Delikatesse. Der Selbstversuch erfordert Mut, und Mut wird belohnt. Das ist die Quintessenz des Museums.
Impressionen aus dem Disgusting Food Museum
Fremdheit lohnt sich
Über den eigenen Tellerrand hinausschauen sorgt für mehr Lebensqualität. Das entspricht einem produktiven Umgang mit Fremdheit, mit der wir im Leben oft umgehen müssen. Während durch die Ausstellung Fremdes plötzlich vertraut wirkt, wird scheinbar Vertrautes wieder fremd, wirkt geradezu befremdlich: Nahrungsmittel, die wir ahnungslos und ohne Nachdenken im Supermarkt kaufen. Das Disgusting Food Museum Berlin zeigt das Tier hinter der Wurst, und dass Ernährung etwas mit Tierwohl und Umwelt zu tun hat. Kein Fleisch kommt ohne Tierhaltung, -transport und -schlachtung auf den Grill. Und warum unterscheiden wir zwischen Nutztier und Haustier? Die Katze schläft in unserem Bett, und Hühner, Rinder und Schweine kommen in den Fleischwolf. Das Museum zeigt in dosierter Form, was wir nur zu gern ausblenden.
Alles Schöne steckt nicht in der Wurst
Ernährung ist ohne Verantwortung nicht zu haben. So gerät die kulinarische Weltreise zu einer Bildungsreise der besonderen Art, weil sie belehrt, ohne dabei auf Unterhaltung zu verzichten. Das Disgusting Food Museum Berlin befindet sich in jenen Räumen, in denen früher das Deutsche Currywurst Museum untergebracht war. Wer weiß schon, was in einer Currywurst drin ist. Nach dem Besuch des Ekel-Museums kann man es sich vorstellen.