Charmant, melancholisch, attraktiv, aber auch kantig und verschmitzt: Bukarest verleitet zur Annahme, Europas best gehütetes Geheimnis zu sein. Romafrauen in bunten Röcken stehen an den Ecken und bieten Blumen feil, elegante Menschen schlendern auf den Innenstadboulevards, Lokale mit italienischer Küche und mediterranem Design flankieren die Prachtstraße – fröhliche Folklore und ein buntes, quirliges Leben prägen den Rhythmus der modernen Stadt. Nirgendwo ist Rumänien spannender, verrückter und kontrastreicher als in seiner Hauptstadt. Und doch rangiert die Metropole nicht unter den Top Ten auf der Liste der beliebtesten Reiseziele.
Viele lieben das raue balkanische Flair mit südländischem Background und schätzen die Lebendigkeit – dieses gewisse Savoir-vivre. Indes grollen einige Rumänen ihrer geschundenen Hauptstadt, die sich in optisch widersprüchliche Welten teilt. Die Steppenmetropole hat viele Gesichter – an Bukarest scheiden sich die Geister.
Am besten verschafft sich jeder selbst einen Eindruck – lassen Sie sich verführen von der einzigartigen Mischung aus „Orient“ und „Klein-Paris“.
In einer Synthese zwischen venezianischen, orientalischen und sozialistischen Einflüssen
Bukarest liegt in der historischen Landschaft der Walachei. Aufrichtig betrachtet: Die Zwei-Millionen-Metropole präsentiert sich sowohl mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen als auch mit sehr schönen Seiten. Verwirrend ist die Vielfalt der Baustile, sichtbarer Niederschlag wirtschaftlicher Glanzzeiten. Von einem „Paris des Ostens“ ist Bukarest inzwischen weit entfernt, doch wie kaum eine andere europäische Metropole bietet es Raum für Ideen und neue Anfänge. Immer mehr Touristen versuchen, den verborgenen Charakter ausfindig zu machen.
Zum ersten Mal erwähnt wurde der Marktflecken Bukarest im Jahre 1459. Die erste Blütezeit erlebte die Stadt um 1900 unter den Hohenzollerkönigen – es herrscht eine charmante Stilvielfalt. Viele Gebäude wurden im Jahre 1944 bei den Bombenangriffen der Alliierten zerstört. Besonders verheerend war die Vernichtungswut in den 1980er Jahren unter Nicolas Ceausescu. Für Reisende mit Sinn für Kultur gibt es einiges zu entdecken.
Kostbarkeiten einer außergewöhnlichen Stadt – die schönsten Routen
Bukarest: Ähnlich wie Berlin zieht es die Besucher eher an, weil es mitreißend ist, nicht weil es eine Partie für die klassische Schönheit gewinnen könnte.
Die Innenstadt fasziniert durch ihre Brüche – französische, balkanische und sozialistische Elemente ergeben ein ungezwungenes Gebilde. Eine einheitliche Bebauung sucht man vergeblich. Man baute wie man wollte: kapriziös, individuell, zügellos. An jeder frisch renovierten Ecke schießen Restaurants, Bars, Galerien, Museen und Boutiquen wie Pilze aus dem Boden. Eine Architektur – verblüffend: Landhäuschen, deren Putz bröckelt, Gemüsegärten und Wohnburgen neben restaurierten historischen Palästen und schnurgerade Alleen, die sich in verwinkelten Gassen verlieren – jeder Herrscher hat seine eigenen architektonischen Vorstellungen realisiert.
Die weitläufigen Parkanlagen mit tausenden von Rosenstöcken um eine Seenkette am Nordrand Bukarests sind ein Dorado der Jugend und die grüne Lunge der Millionenstadt. Mitten in der Stadt liegt die zauberhafte Parkanlage Parcul Cismigu aus dem Jahr 1810. In der kunstvoll angelegten Anlage mit französischen Hecken, sprudelnder Quelle, Weiher, Spielplatz und Café erholen sich die Bukarester. Der Universitätsplatz bildet indes das Herz der Hauptstadt.
Wer den Charme des alten Bukarest erleben will, der besucht das Altstadtviertel rund um die Lipscani-Straße, einst das wichtigste Wirtschaftszentrum der Walachei. Hier geht es weit zurück in die Vergangenheit: Südlich der Lipscani-Straße befinden sich die Ruinen eines walachischen Fürstenhofes aus dem 15. Jahrhundert. In direkter Nachbarschaft erinnert Bukarests älteste Kirche „Biserca Curtea Veche“ an die Zeiten des 16. Jahrhunderts.
Die beste Orientierung im weiträumigen Zentrum bietet die Calea Victoriei – Bukarests Prachtboulevard. Gesäumt von teilweise pompösen Bauwerken des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, zieht er sich von Nord nach Süden, quer durch die gesamte Innenstadt. Zu den ältesten Bauwerken zählt die üppig ausgemalte Kretzulescu-Kirche von 1722. Hier versteht man, warum Bukarest den Beinamen „Paris des Ostens“ trug.
Im Norden Bukarests bildet das Flüsschen Colentina eine Reihe natürlicher Seen. In dieser anmutigen Landschaft findet sich eines der ältesten und größten Freilichtmuseen Europas. Bereits im Jahre 1936 wurde das Dorfmuseum Muzeul satului an der Kiseleff-Chaussee gegründet.
Eine große Tradition haben die Nobelhotels an der Siegesstraße, insbesondere das Athénée Palace Hilton in herrlichstem Jugendstil – das teuerste Haus im ganzen Land.
Die Top Sehenswürdigkeiten von Bukarest auf einen Blick
- Bellu-Friedhof – ein Panoptikum des Pathos: Reiche Familien, Künstler und Politiker haben hier ihre prunkvollen Grüfte.
- Cismigu – die fabelhafte Parkanlage lädt zum Verweilen ein.
- Athenäum: Der klassizistische Kuppelbau mit dem prächtigen Säulenportikus dient heute als Konzerthaus.
- Fürstenpalast in Mogosoaia: Die ehemalige Sommerresidenz des Herrschers Constantin Brancoveanu liegt nordwestlich von Bukarest und ist ein Meisterwerk des von ihm geprägten Architekturstils.
- Nationales Kunstmuseum – ein wundervoller Streifzug durch 1000 Jahre rumänische Malerei.
- Platz der Revolution: Am 21. Dezember 1989 versammelten sich 100 000 Menschen auf dem Platz vor dem ehemaligen Zentralkomitee der kommunistischen Partei und forderten Ceausescus Rücktritt. Das moderne Denkmal erinnert an den blutig erkämpften Sieg des Volkes über die Diktatur.
- Ceausecus Grab: Auf zwei schlichten Gräbern des Ghencea-Friedhofs stehen Namen, die das Land einst in Angst und Schrecken versetzt haben. Nahe dem Haupteingang liegen Nicolae und Elena Ceausescu nach ihrer Hinrichtung begraben.
- Tipp: Das Dorfmuseum lädt zu einem Spaziergang in die Vergangenheit des ländlichen Rumäniens ein. Bis zu 300 Jahre alt sind die Kirchen, Mühlen und Bauernhäuser aus den Dörfern der Walachei und Transsilvaniens, die man in dieser Idylle vor den Toren der Stadt besichtigen kann.
Gut zu wissen: Fast jeder Bukarester spricht Englisch oder Französisch. In den zahlreichen Hotels, Restaurants und Cafés wird man freundlich empfangen und bedient.
Wer wollte sich schon immer von einem Dichter und Revolutionär bekochen lassen? Dazu ist jetzt die Gelegenheit: Wer mag, besucht den Autor Dinescu in seinem Restaurant Lacrimi si Sfiniti und probiert seine traditionellen Gerichte.
Bukarest hat seinen ganz eigenen Charme und ist ohne Zweifel balkanisch. Wer schon einmal in Athen, Sofia, Istanbul oder Belgrad war, wird die Ähnlichkeiten sofort erkennen. Über die Zeit und mit ihrem geringen Bedarf an Ruhe, fühlen sich die heutigen Bukarester eher der südeuropäischen Kultur nahe