In Rhode Island ist manches verwirrend. Das beginnt schon bei dem Namen, denn der kleinste Bundesstaat der USA ist keineswegs eine Insel. Vielmehr ist dies eine Halbinsel vor der Haustür New Yorks. Doch in dieser Region wurde amerikanische Geschichte geschrieben, und sie ist noch immer die Heimstätte der Highsociety. Rhode Island ist kaum größer als das Saarland, doch offiziell darf sich dieser Bundesstaat mit einem etwas üppigeren Namen zieren: „State of Rhode Island and Prividence Plantations“. Die Amerikaner haben dieser schönen Gegend wegen ihrer geografischen Winzigkeit eine andere Bezeichnung gegeben: „Little Rhody“.
Prächtige Villen und grüne Wälder
Ein Leben in Luxus ist hier seit Generationen so etwas wie eine Selbstverständlichkeit. Schon im 19. Jahrhundert war Rhode Island ein bevorzugtes Ziel der amerikanischen Oberschicht. Und noch immer zeugen die prächtigen Villen – vor allem in Newport – vom Glanz früherer Tage. Hier entstanden die Sommerresidenzen, die ihre Besitzer in einem Anflug von Understatement als „Cottages“ bezeichneten. In Wirklichkeit ähnelten diese Villen eher Palästen europäischer Prägung. Dies alles bewegte sich zu den Glanzzeiten dieses Bundesstaates im Miniaturformat in einer maritimen Atmosphäre, denn wo die grünen Wälder der Halbinsel endeten, breitet sich der Atlantik aus.
Eine Mixtur aus Musik und Feuer
In Rhode Island lebten schon immer Menschen, die sich des politischen Einflusses dieses Bundesstaates auf die Politik der Vereinigten Staaten bewusst waren. Daran hat sich bis in die Gegenwart kaum etwas geändert, denn die beiden Abgeordneten von Rhode Island haben ihren Sitz im Repräsentantenhaus, und die vier Wahlmänner haben die Chance, Weltpolitik zu schreiben, denn ihre Stimmen könnten darüber entscheiden, wer als Präsident der USA ins Weiße Haus einzieht. Dies ist ein kleines Paradies mit einer großen Geschichte. Die „Slater Mill“ in der idyllischen Kleinstadt Pawtucket gilt als Wiege der industriellen Revolution in Amerika. Und die Hauptstadt Providence zählt zu den ältesten Metropolen des Landes. Wer dort durch die altehrwürdige Benefit Street bummelt, passiert immer wieder eindrucksvolle restaurierte Häuser aus der Epoche der Föderation. Providence leistet sich alljährlich das WaterFire-Festival – eine Mixtura aus musikalischen Klängen und zahllosen Leuchtfeuern auf den drei Flüssen, die der City ein einzigartiges Gepräge verleihen.
Ein Niederländer namens Roger Williams
Es war ein Niederländer, der Rhode Island einst in Besitz nahm. Roger Williams entschied sich für den Namen „Rhode Eylandt“ und war angetan von der roten Farbe der Erde. Weniger Interesse an einer Landung auf dieser Halbinsel hatten im Jahr 1511 die portugiesischen Seefahrer unter der Leitung des Entdeckers Miguel de Cortereal. Sie beließen es damit, dieses Stück Land in ihre Bücher einzutragen und ignorierten im Übrigen dessen Existenz. Als besagter Roger Williams dort an Land ging, traf er vor allem auf Indianer. Aber er bekannte sich zu den Idealen der Baptisten und entschied sich zu einer friedlichen Koexistenz mit den Ureinwohnern. So konnte sich Rhode Island eineinhalb Jahrhunderte später rühmen, zu den ersten Staaten zu zählen, die die Sklaverei unter Strafe stellten und die Rassentrennung abschafften. Allerdings entwickelte sich die Region auch einige Jahre zu einem Kriegsschauplatz, weil die Briten Rhode Island beanspruchten. Während des amerikanischen Bürgerkriegs gaben die Europäer die Halbinsel dann kampflos an New York ab.
Block Island – Natur und Leuchttürme
Im Laufe der Zeit erfreute sich der kleine Bundesstaat einer selbst in Amerika überdurchschnittlichen Lebensqualität. Gourmets zieht es noch heute zu den besten Restaurants in den historischen Städten. Auch die Dichte an Universitäten und Colleges ist in Rhode Island sehr hoch. Die Küsten am Atlantischen Ozean sind fast überall zerklüftet, und der maritime Charakter der Gegend zeigt sich in den Restaurants auf den Tellern. Rhode Island ist – ähnlich wie der Nachbar Neuengland – berühmt und beliebt wegen der Fülle an Seafood. Die einstige Sommerfrische der betuchten Amerikaner hat sich längst zu einem der populärsten Ziele der Vereinigten Staaten gemausert. Ein Juwel der besonderen Art ist Block Island. Und dabei handelt sich tatsächlich um eine Insel. Sie ist elf Kilometer lang, verfügt über zwei fotogene Leuchttürme und über ein interessantes und geschütztes Natur-Reservat. In Newport entzückt ein Jazz-Festival seit dem Jahr 1958 Musikfreunde aus aller Welt mit einem umfangreichen Programm. So mancher Interpret startete hier seine Karriere.
Erinnerung an die „Royals“ der Neuen Welt
Wer an der Narragansett Bay den Gipfel des Jerimoth Hill besteigt, der darf sich auf eine tolle Rundumsicht aus einer Höhe von 250 Metern freuen, denn vor der Küste gibt es dreißig kleine Inseln. Die größte von ihnen ist Aquidneck Island. Die Gegend ist aber auch ein bevorzugtes Ziel für Outdoor-Fans und für Ornithologen. Hier lassen sich seltene Zugvögel nieder. Den Glanz früherer Epochen haben das „Marble House“ und „The Breakers“ in Newport bewahrt. Beide Palästen gehörten ehemals der reichen Familie des Unternehmers Vanderbilt. Dort wird der Marmor stets auf Hochglanz poliert und die Besucher dieser Museen bestaunen die antiken Möbel sowie die eindrucksvollen Sammlungen an Kunst aller Art. Auch die Erinnerung an den legendären Kohlemagnaten Edward J. Berwind und an die Astors wird in einem Museum wachgehalten. Dies waren die „Royals“ der Neuen Welt, und so mancher von ihnen kopierte die Architektur der europäischen Paläste.