Wer von Westen kommt und Manacor erreicht, sieht an der Straße viel Beton: große Supermärkte, Tankstellen, Perlen- und Möbelfabriken. Dagegen hat das Zentrum der drittgrößten Stadt Mallorcas viel Charme und ist voller Kunstschätze. Besucher lieben Manacor erst auf den zweiten Blick. Das moderne Stadtwappen zeigt eine Hand, die ein Herz umschließt. „Man a cor“ heißt übersetzt „Hand aufs Herz“. Historiker pochen aber darauf, dass der Stadtname sich viel weniger poetisch von einem Berberstamm namens „Mancur“ ableitet.
Für Mallorca überraschend untouristisch
Neben der Stadt Manacor im Osten Mallorcas gehören noch elf weitere Orte zur Gemeinde. Die Stadt selbst ist überraschend untouristisch. Kenner behaupten, dass sie sich bis heute ihre mallorquinischen Eigenarten bewahren konnte. Hektik gehört nicht dazu. Die entspannte Lebensart der Manacori sei bekannt, heißt es, die nachmittägliche Siesta dauere trotz des sonst urbanen Lebens länger als anderswo auf der Insel. Touristisch wird es erst dort, wo Strände auf die Urlauber warten: in S’Illot, Porto Christo, Cales de Mallorca oder Cala Murada. Das sind nur einige der östlichen Gemeindeteile Manacors. In Son Macia verstecken sich wunderschöne Villen und Fincas mit Meerblick in Hügeln und an üppig-grünen Berghängen.
Die kleine Schwester von Palma kann sich sehen lassen
Die Innenstadt von Manacor überrascht die Urlauber mit uralten Wehrtürmen, prächtigen Gründerzeitbauten, großzügigen Fußgängerzonen, verschwiegenen Winkeln und hübschen Cafés, Bars und Bistros mit Tischen und Stühlen unter Zitronenbäumen. Hier lässt man sich das „Pa amb Oli“ – das typisch mallorquinische Brot mit Knoblauchmayonnaise gern schmecken. Rund um die Plätze Sa Bassa und Plaça Constitució lohnt sich ein Spaziergang. Jeden Vormittag findet auf dem Konstitutionsplatz ein Gemüsemarkt statt. Auf der Plaça Ramon Llull ist jeden Montag ein Wochenmarkt, auf dem man Mitbringsel kaufen kann. Vielleicht ein Salatbesteck aus Olivenholz?
Manacor ist für seine Oliv-Art bekannt. Die Atmosphäre in der Innenstadt mag ein wenig rustikaler sein als in der Inselhauptstadt Palma, doch Manacor braucht sich nicht zu verstecken. Wer auf Shopping aus ist, ist hier richtig, denn Boutiquen gibt es zuhauf. Über dem Trubel thront in der Mitte der Altstadt die mächtige, neogotische Kirche „Parròquia de la Mare de Déu dels Dolors“ mit wunderschönen bunten Fenstern, Heiligenfiguren und einem Kreuzgang. Sie ist wie die anderen Kirchen von Manacor sehenswert. Die Stadt bietet eine Vielzahl von Unterkünften – von einfachen Pensionen bis zu einem Luxus-Hotel mit fünf Sternen. Wer Originelles sucht, findet Luxus-Apartments, die in alten Schafställen untergebracht sind.
Von der Steinzeitsiedlung bis zu Wehrtürmen aus dem Mittelalter
Schon 2000 v. Chr. siedelten Menschen in Manacor. Reste steinzeitlicher Behausungen sind noch da. Die Siedlung S’Hospitalet Vell, die Archäologen auf 1500-1800 v. Chr. schätzen, überrascht mit der Ruine eines quadratischen Turms, einer Säule und einer riesigen Steinplatte als Decke. Auch in späteren Jahrhunderten spielten Türme eine Rolle. Im Mittelalter mussten die Herrenhäuser der adeligen Familien gegen Angreifer geschützt werden: Im zweistöckigen Torre dels Enagistes („Turm der Jesuiten“) aus dem 14. Jahrhundert, einer wahren Trutzburg, hat heute das „Museo de Historia de Manacor“ für Archäologie und Völkerkunde seinen Sitz. Zu sehen sind Exponate aus den vergangenen Jahrtausenden: Keramiken, Skulpturen, Mosaiken, Graffiti aus vielen Epochen und das Skelett einer mallorqinischen Höhlenziege, die leider ausgestorben ist.
Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Noch bis ins 19. Jahrhundert lebten die Bewohner Manacors von Ackerbau und Viehzucht, Windmühlen dominierten die Landschaft. Doch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kam der industrielle Aufschwung. Während weiterhin Töpferei, Wein- und Likörproduktion eine Rolle spielten, wurde nun die Möbelherstellung und Perlenproduktion zu einem Wirtschaftszweig, der noch heute von großer Bedeutung ist. Manacor wurde eine reiche Stadt. Schuld daran ist vor allem ein Perlen-Imitat, das natürlichen Perlen oder Zuchtperlen ähnelt. Entwickelt hat es ein Deutscher. Der Fabrikantensohn Eduard Heusch aus Aachen (1865-1937) eröffnete 1902 die erste Perlenfabrik von Manacor und nannte sein Produkt „Perlas Majórika“. Das Besondere: Die Mallorca-Perle besteht aus organischem Material aus dem Meer und hat einen Glas-oder Steinkern. Ihre Perlmuttschichten sind nicht aus Perlmutt, sondern aus Fischschuppen und Muschelkalk – die speziell zu einer Art Perlmuttbrei aufbereitet werden. Dieser wird in vielen Schichten auf den Kern aufgetragen und mehrfach gehärtet. Der farbige Schimmer stammt von farbigen Mineralien. Schmuckexperten schätzen Mallorca-Perlen, weil sie robuster sind als Originale, sich aber kaum von den echten unterscheiden lassen.
Die Drachenhöhle mit klassischer Musik und Illumination
Wenn man Manacor hinter sich lässt und weiter gen Osten fährt, durquert man eine landschaftlich schöne Ebene. Hier hat der Tennisspieler Rafael Nadal – der aus Manacor stammt, Tennisplätze, Trainingscenter und eine Schule für den Tennis-Nachwuchs gebaut. Der Name Nadal begegnet einem hier überall, denn die Stadt ist stolz auf ihn. Weiter geht es in Richtung Porto Christo. Das Hafenstädtchen erinnert Besucher an den Bauboom der 60er-Jahre, als so manche Prachtbauten noch Parkplätzen weichen mussten. Doch auf keinen Fall verpassen sollten Besucher dort die Tropfsteinhöhle Coves del Drac. Erst 1896 ließ Mallorca-Forscher Ludwig Salvator sie durch eine Expedition erforschen und vermessen. Sie hat nicht nur Jahrmillionen alte, bizarr geformte Stalaktiten und Stalagmiten, sondern auch einen 180 Meter langen und 40 Meter breiten unterirdischen See, den Lago Martel. Die Drachenhöhle ist eine große Touristenattraktion. Die Wunderwelt der tropfenden Steine wird eindrucksvoll beleuchtet. Auf dem See lässt man ein Boot malerisch am Publikum vorbeiziehen. Darin sitzt ein Quartett, das stimmungsvoll klassische Musik spielt.